Außenlandung II

Sylvia Englert

Gabors Hemd war naßgeschwitzt, er fragte sich, wo er diese ganze Flüssigkeit herholte. Es war heiß wie im Tropenhaus in seinem Cockpit. Zu allem Übel war er außerdem nur noch vierhundert Meter hoch. Wenn er nicht bald wieder Aufwind fand, war Feierabend. So unrecht war ihm das allerdings diesmal gar nicht. Seine Eingeweide machten ihn schon seit einer halben Stunde darauf aufmerksam, daß sie sich gerne der Überreste seines Eintopfs von gestern entledigt hätten. Außerdem hatte er einen irrsinnigen Durst auf ein kaltes Bier.

Gabor sondierte die Kuppen des Odenwalds, auf denen der Mischwald wie zottiges grünbraunes Bärenfell klebte. Es gab erbärmlich wenige Felder hier, auf denen man mit einem Segelflugzeug landen konnte. Die einzigen, die er sah, waren so steil, daß es ihn gruselte. Gabor beschloß, es mit einem Weizenfeld zu probieren, das auch an einem Hang lag, aber zumindest von oben schön weich aussah. Er zog die Gurte fester an, wischte sich ein letztes Mal über die Stirn und flog das Feld an. Zischend und raschelnd schliffen die Halme am Rumpf seiner LS-4 entlang, als er sie behutsam durchsacken ließ. Es ging so steil aufwärts, daß sie kaum ausrollte. Dann begann das kleine Flugzeug den Berg hinunterzuruschen. Gabor schlug den Steuerknüppel zur linken Seite, so daß sich die Maschine quer zum Hang stellte, hechtete aus dem Cockpit und legte einen Stein unter das Bugrad. Dann mußte er sich erst einmal setzen, nach dieser Landung fühlte er sich doch ein wenig zittrig. So, jetzt hinter einen Busch, und dann in die nächste Dorfkneipe.
In diesem Moment hörte er die wütenden Schreie. Sie schienen aus einem benachbarten Feld zu kommen.
„He, Sie! Wos fällt Ihne oi!!!“
Gabor blickte besorgt auf die tiefe, wie mit einem Lineal gezogene Rinne, die seine Maschine bei der Landung im Weizen hinterlassen hatte.
Der Mann auf dem Traktor schien das Gaspedal durchzutreten, denn er brauste heran wie ein Racheengel in Cordhosen, dichte schwarze Abgaswolken hinter sich lassend, unartikulierte Laute ausstoßend. Mit einem Ruck kam der Traktor am Rande des Feldes zum Stehen. Eine kleine Gestalt katapultierte sich von ihrem Schalensitz und marschierte mit ruckhaften Bewegungen durch das Weizenfeld in Gabors Richtung. Beunruhigt beobachtete Gabor, daß der Mann etwas aus dem Traktor genommen hatte, es sah aus wie eine lange Holzstange. Er straffte die Schultern, zog den etwas hervorstehenden Bauch ein und pflanzte sich in entschlossener Pose vor seine LS-4. Der Mann war nur noch zwanzig Meter entfernt und wirbelte die Holzstange herum, als wäre sie ein Strohhalm mit Überlänge.
Als sie sich gegenüberstanden, sah Gabor überrascht, daß der Bauer in seinem Alter war, etwa Mitte zwanzig. Seine hellen Haare waren so struppig, daß es aussah, als sträubten sie sich wie bei einem wütenden Hund. Auf seiner Oberlippe befand sich ein dünner Schnurrbart, der so blond war, daß man ihn auf der Haut kaum sah.
„Wos fällt Ihne oin, hier zu lande!“ schrie der Mann, seine Stimme war schrill und überschlug sich bei manchen Worten. „Wenn se net sofort von diesem Feld verschwinne, wern se des beroie!“
Gabor überlegte, wie er ihm schonend beibringen sollte, daß dies ein Segelflugzeug war und sich außer ihm noch zwei weitere Leute und ein Hänger über dieses Feld bewegen mußten, bevor er es los war.
Der junge Mann machte noch einen Schritt nach vorne. Obwohl er noch eine gute Armlänge entfernt war, roch Gabor seinen Atem und hielt die Luft an. Das war ja wie das Öffnen eines gutgefüllten Kühlschranks nach einem zweiwöchigen Stromausfall im Sommer.
„Tut mir echt leid, daß ich hier landen mußte. Ging leider nicht anders. Sorry.“
„Zoische se maa Ihre Ausweis“, forderte sein Gegenüber, und seine ausgebleichten Augen blickten wütend und – konnte das sein? – erfreut drein. „Ohne zwaa Hunnis für den Weizen, den se plattgemacht ham, kommen se hier sowieso nisch weg. Dös ist ja e Schwoinerei, wie se dös Feld zugerichtet ham.“
„Das klären Sie am besten mit meiner Versicherung“, sagte Gabor und ging rückwärts zum Cockpit, um die entsprechenden Unterlagen herauszusuchen. Das Wort „Versicherung“, am besten in Verbindung mit dem Wort „Entschädigung“, hatte seiner Erfahrung nach eine sofortige lindernde Wirkung bei den Symptomen, die der Bauer zeigte.
„Wenn isch mir des so anguck, kommt der Schaade hier auf mindestens fünfhunnert, wenn net mehr“, sagte der junge Mann genüßlich. „Des Rübenfeld do drübe wär billischer gewese. Warum sind se net in de Rübe gegange?“
„Ich bitte Sie, das hätte mir das Hauptrad abgerissen. Ausserdem ist das Feld da noch steiler“, murmelte Gabor und wühlte verzweifelt in der Seitentasche des Cockpits. Er hatte die Papiere doch mitgenommen, oder? Er mußte sie mitgenommen haben, aber warum waren sie nicht im Bordbuch, wo sie hingehörten?
Ein seltsames Schweigen und eine plötzliche Abwesenheit negativer Schwingungen in der Luft um ihn herum veranlassten ihn dazu, aufzublicken. Erstaunt bemerkte er etwas, was wie ein neugieriger Ausdruck in den blassen Augen aussah.
„Was würd bassieren, wenn Sie auf einem werklisch steile Feld landen däte?“
„Na ja, ich würde rückwärts wieder runterrutschen.“
Unter dem kaum sichtbaren Schnurrbart formte sich ein Ausdruck der Heiterkeit. „Ei hamse kaa Bremsen an dem Ding da?“
„Klar habe ich Bremsen“, sagte Gabor. „Aber bei so einem Abhang wäre das einzig wirksame, einen Anker auszuwerfen.“
Die blassen Augen blickten mißtrauisch. „Des is doch a beschissen Ausred´ dafür, warum Sie ausgerechnet bei mir gelandet sinn. Es gibt flache Felder in der Gegend.“
„Ein paar“, sagte Gabor. „Bei denen man beim Landeanflug von einer Hoch-spannungsleitung gegrillt wird.“
Das entlockte seinem Gegenüber ein anerkennendes Grinsen. Die Holzstange beschrieb ein kompliziertes Muster in der Luft, als der junge Mann sie in der Hand herumwirbelte. „Wisse Sie, was Sie brauche? ´nen ordentlischen Motor mit ein paar Dutzend PS unter der Haub, des löst doch alle Ihre Probleme auf aan Schlach! Wie oft passiert Ihne das, daß Sie vom aam Moment auf den anderen irschendwo runnergehn misse?“
„Etwa zehnmal pro Saison, wenn ich viel fliege.“
„Des nächstemal packst gefälligst ´nen Anker oi und setzt disch uffs Feld von Willi Seitz nebeo, klar? Isch bin übrigens de Markus.“
„Ich heiße Gabor“, sagte Gabor und mußte grinsen. Er hatte gehofft, daß sich ein paar Schaulustige einfinden würden, wie das meist bei einer Außenlandung der Fall war, aber der Hof schien zu abgelegen zu sein. Sie waren immer noch zu zweit. Jetzt mußte er es einfach wagen und die Frage stellen. Zumindest schien der Bauer die Sache mit der Versicherung vorübergehend vergessen zu haben, und das war ein Glück, denn die verdammten Unterlagen waren wohl im staubigen Geschäftszimmer des Flugplatzes oder sonstwo. „Wie wäre es, wenn wir die Maschine an den Rand schaffen würden, damit wir sie nachher gleich verladen können? Ich nehme sie an der einen Flächenspitze, Sie an der anderen.“
Diese Frechheit verschlug dem jungen Mann vorübergehend den Atem, was die Qualität der Umgebungsluft merklich verbesserte. Doch nach einer kurzen Denkpause sah er ein, daß das der schnellstmögliche Weg war, das unwillkommene Flugobjekt vom Feld zu bekommen. Nachdem er seine Holzstange zum Traktor zurückgebracht hatte, packte er mit an.
Gemeinsam zerrten sie die Maschine über den lockeren Boden, in dem das Rad alle paar Momente steckenblieb. Als sie das Flugzeug endlich auf den Feldweg verfrachtet hatten, knurrte Markus: „Isch glaab, dafür schlaach ich noch ´nen Hunni druff. Was jetz?“
„Jetzt muß ich mich auf den Weg zum nächsten Telefon machen, meine Helfer rufen, damit die mich holen. Wie weit ist´s bis zum nächsten Dorf?“
„Bis zum nächste Dorf brauchste ´ne gut Stund zu Fuß. Aber Telefonier kannste aach von meinem Hof aus. Los, ruff uf´n Trecker. Außerdem möcht isch dir was zeische.“
„Was denn?“ fragte Gabor mit gemischten Gefühlen. Vielleicht hatte dieser komische Bauer daheim eine Scheune voller demolierter Segelflugzeuge, die irgendwann mal auf seinen Feldern runtergegangen waren. Aber wie dem auch sei, es war eindeutig zu heiß für einen einstündigen Fußmarsch. Ein paar neue Schweißtropfen liefen kitzelnd Gabors Rücken herunter und versickerten im Bund seiner Shorts. Er hatte vor allem den Wunsch, sich hinter den nächstbesten Busch zu hocken, aber er hatte das Gefühl, daß es zu Ausschreitungen kommen würde, wenn er den Grund und Boden seines neuen Bekannten auf diese Weise düngte.
Sie ratterten über die Feldwege, bis sie zu einer kleinen Gruppe Gebäude kamen, die im Windschatten einer verkommenen Backsteinscheune stand. Ein übergewichtiger Schäferhund mit angegrauter Schnauze bellte sich fast die Kehle aus dem Leib.
Markus parkte mit Schwung auf dem Hof, sprang auf den Boden und marschierte davon. „Geh schon maa rei, dos Telefon steht im Wohnzimmer, isch komm gleisch. Nimm das mal mit rei“, sagte er über die Schulter und warf Gabor die Holzstange zu, die, wie Gabor feststellte, aus Bambus war. „Brusli, sei nett zu ihm, sonst setzt´s was!“
Der zuletzt Angesprochene stelzte auf arthritischen Beinen heran und schnupperte mit gebleckten Zähnen an Gabor. „Gutes Hundchen, feines Hundchen“, murmelte Gabor und überlegte, woher ihm der Klang des Hundenamens ihm bekannt vorkam. Hatte Markus dieses Vieh etwa Bruce Lee genannt, nach dem Bruce Lee?!
Mit einem verächtlichen Blick entschied der Schäferhund, daß Gabor die Anstrengung des Zubeißens nicht wert war, man ihn aber im Auge behalten sollte, und trottete hinter ihm her ins Haus.
Das Wohnzimmer war vollgestellt mit dunkelen Nußbaum-Möbeln. Von einer Kommode glotzten Gabor buntbemalte Hirtenbüblein entgegen, die einem Edelweißbouquet aus Plastik Gesellschaft leisteten. Gabor ging um eine Sitzgruppe aus hellbraunem Cord herum, den Blick auf das Telefon geheftet, das er auf einer Kommode erspäht hatte. Er griff gerade danach, da explodierte es in ein langgezogenes Klingelgeräusch. Gabor zuckte zusammen, seine Hand ruckte im Reflex nach oben, und plötzlich war der Hörer an seinem Ohr. „Hier bei… äh…“
„Marggus? Paß bloß uff, Harbich will dir Erscher mache. Schaff bloß dei Zeug beiseite.“ – Klick.
Ärger? Zeug? Gabors Herz klopfte, als er begann, die Nummer des Flugplatzes einzutippen. Irgendwo auf halbem Weg fiel ihm auf, daß das Telefon ungewöhnlich stumm war. Kein Freizeichen. Es war abgestellt. Gabor stöhnte. Er brauchte nicht lange, um sich zu entscheiden. Ein Fußmarsch tat ihm sicher gut. Er brauchte sowieso Bewegung. Wo die Haustür war, wußte er noch ungefähr. Wenn er sich beeilte und Glück hatte, dann konnte er schon einen guten Kilometer weg sein, bevor dieser Markus wiederkam. Schade nur, daß er jetzt nie erfahren würde, was der ihm hatte zeigen wollen.
„He, wo willste denn hi?“
Gabor drehte sich um und wich dann hastig einen Schritt zurück. Eine Gestalt in einem Kostüm mit aufgedruckten rotgoldenen Drachen auf schwarzem Grund tänzelte durch den Flur auf ihn zu. Das Gewand hatte weite Ärmel und Hosenbeine und wurde an der Hüfte von einem schwarzen Gürtel zusammengehalten. Aber Gabors Augen wurden vor allem von dem armlangen blitzenden Samuraischwert angezogen, das Markus mit beiden Händen gepackt hielt und begeistert durch die Luft pfeifen ließ.
„Na, da guckste, was?“ gellte Markus und wirbelte die gebogene Klinge herum.  Gabor machte noch einen Schritt zurück und der fette Schäferhund duckte sich.
„Das ist ja echt toll, äh, wo hast du denn das her?“ krächzte Gabor.
„Hab mer´s emol aus Asien mitbringe losse, ge. Seither steht im Stall ´ne Kuh wenischer. Aber ´s hat sisch gelohnt. Seit ich´s hob, komme kaan Verdreter mehr her, und de Zeusche Jehovas war´n auch schon lang net mehr do.“
In diesem Moment hörten sie, dass jemand heftig an die Vordertür klopfte.
„Ach, Mist, kaane Minute kann man in Ruhe seinem Steckepferche nachgehe“, knurrte Markus, schob das Schwert mit einer markigen Bewegung in eine lederne Scheide an seinem Gürtel, und marschierte zur Tür.
Siedendheiß fiel Gabor ein, daß er vergessen hatte, seinem neuen Bekannten die telefonische Warnung auszurichten. Aber es war schon zu spät. Der junge Bauer riß die Haustür auf.  Gabor konnte jenseits der Türschwelle eine grüne Uniform sehen.
„Auf frischer Tat, sach ich da nur, auf frischer Tat!“ dröhnte der untersetzte Mann mit  gesunder Gesichtsfarbe und zurückweichender Haarlinie, der in der Uniform steckte. „Diesmal sindse dran, Hinz!“
„Das hamse sich so gedacht, Harbisch, Sie blödes Aas“, gab Markus heiter zurück. „Aber uff maam Hof könne mir garnix ohne Durchsuchungsbefehl!“
„Das war Beamtenbeleidigung. Machense nur so weiter, dann kann ich Sie endlich für ´ne Nacht einlochen.“ Der Mann in Grün spähte über Markus´ Schulter und sah Gabor im Wohnzimmer stehen. „Wer sind Sie eigentlisch? Einer von seine Waffenhändler-Freunde? Ich hätt gern mal Ihre Papiere gesehen!“
Grollend ließ der junge Bauer zu, daß sich Harbich an ihm vorbei ins Wohnzimmer schob. Verlegen wühlte Gabor in seinen Taschen nach dem abgegriffenen Studi-Ausweis von der Uni Darmstadt und wollte ihn gerade aushändigen, als sein Blick auf Bruce Lee fiel. Mit dem Schäferhund war in den letzten Momenten eine beunruhigende Wandlung vorgegangen. Seine trüben Augen hatten zu blitzen begonnen, und sein Nackenfell hatte sich gesträubt, bis es aussah wie eine Kleiderbürste. Bruce Lee sah seine große Stunde kommen und mit ihr seine letzte Chance, sich im Dienste seines Herren Heldenruhm zu erwerben. Er brüllte auf und stürzte sich mit einem kühnen Sprung auf den Mann in Grün.
Gabor, der erst jetzt begriff, warum der Hund seinen Namen erhalten hatte, ließ seinen Ausweis fallen und schaffte es gerade noch, den Schäferhund am Halsband zu packen und zurückzureißen. Der Polizist hatte mit ebensolcher Geschwindigkeit einen schwarzen Knüppel hervorgeholt und Bruce Lee einen Schlag quer über die Schnauze versetzt, so daß der Hund aufjaulte.
„Wieso lebt dieser alte Köter eigentlisch noch? Fütternse den mit Ihren asiatischen Potenzkräuterchen oder was?“
Der übermütige Funke war aus Markus´ Augen verschwunden. Sein Gesicht hatte sich zu einer martialischen Grimasse verzerrt, so daß der blonde Schnurrbart sich ungewöhnlich deutlich von seinem geröteten Gesicht abhob. Ein Kampfschrei ließ die Nußbaum-Möbel erbeben. Der junge Bauer schwang das Schwert über seinen Kopf und die Scherben einer Deckenlampe aus den fünfziger Jahren prasselten auf sie herab. Gabor ließ den Hund los und tauchte hinter das Sofa. Sekunden später leistete ihm Bruce Lee dort mit eingezogenem Schwanz Gesellschaft.
„Legense des Ding weg, sonst muß ich Verstärkung rufe!“ brüllte Harbich. Die einzige Antwort, die er erhielt, bestand aus einem horizontal geführten Schlag mit dem Samurai-Schwert, der drei der bemalten Hirtenbüblein auf der Kommode glatt köpfte und von den Plastikblumen nur die Stengel übrigließ.
„Seinse doch vernünftig, Hinz!“
„Se entschuldige sisch sofort bei meinem Hund!“
„Sie haben se ja net mehr alle im Schrank, Mann! Legense des Ding weg!“
Ein kühner Schlag mit der gebogenen Klinge demolierte einen der Sessel, so daß die Füllung in großen Flocken herausquoll. Gabor riskierte einen Blick über den Rand des Sofas. Harbich hatte sich hinter dem zweiten Sessel verschanzt.
Mit blitzenden Augen ließ Markus das Schwert auf ein Beistelltischchen niedersausen, das sich in einer Wolke von Splittern auflöste.
Gabor zog alarmiert den Kopf hinter die Sofakante zurück. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bevor Harbich entschied, daß er genug hatte, und seine Dienstwaffe zog….
Ein zweiter Kampfschrei hallte durch das Wohnzimmer. Gabor sah, daß Markus sich diesmal den Wohnzimmerschrank vorgenommen hatte. Der junge Bauer holte aus, machte einen Schritt nach vorne – und stolperte über eine Teppichkante. Das Schwert knallte mit voller Wucht auf einen Heizkörper, als Markus das Gleichgewicht wiederzugewinnen versuchte. Mit einem trockenen, metallischen Geräusch brach die Klinge.
Von einem Moment auf den anderen wurde es still im Wohnzimmer. Nur das Keuchen von Markus war zu hören, der fassungslos auf das Schwert starrte.
Harbich erhob sich langsam von hinter dem Sessel und warf einen Blick auf die Reste. „Tja“, meinte er und nestelte grinsend mit den Handschellen an seinem Gürtel. „Ich glaube, ich werd ausnahmsweise mal von ner Anzeische weschen gefährlischer Körperverletzung absehen, wenn Sie mir verspreche, sich kein neues Schwert zu kaufen.“
„Na gut“, sagte Markus düster und beobachtete, wie Harbich durch den Flur verschwand und die Haustür hinter sich zufallen ließ. Vorsichtig klaubte er die Reste des Schwertes auf und nahm sie genau in Augenschein. Beunruhigt sah Gabor, daß seine Augen feucht waren. Bruce Lee kroch hervor und schnupperte andächtig an den Metallstücken.
Doch dann rötete sich Markus Gesicht wieder bedenklich, und mit einem Ruck richtete er sich auf. Er reichte Gabor das Stück Metall, das sich aus dem Schwertgriff gelöst hatte.
„Schau dir des aa! Die ham mich oo´gschmiert!“
Gabor nahm das Stück Metall und las die Einprägung darauf: Made in Germany.
„Wahrscheinlich aus der Eisenwarenhandlung nebenan“, meinte er.
„Wenn isch dran denk, was die mich dafür ham blechen lasse! Diese Aasgeier, die werd ich e Kopf kürzer mache!“
„Womit denn, ohne Schwert?“
„Hä, denkste!“ sagte Markus, schnappte sich seine Bambusstange, die Gabor an die Wand gelehnt hatte, und zog an beiden Enden. Aus dem oberen Teil glitt eine lange scharfe Klinge hervor.
„Vietnamesische Machete“, sagte Markus, und sie grinsten sich an.

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